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Die Kollaboration in Frankreich (1940–1944) bestand in der die freiwilligen Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Handeln von Franzosen mit der deutschen Besatzungsmacht auf französischem Staatsgebiet während des Zweiten Weltkrieges. Sie umfasst nicht nur die staatliche Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich, wie sie Marschall Pétain anlässlich seiner am 30. Oktober 1940 im französischen Rundfunk ausgestrahlten Ansprache gefordert hatte, sondern auch jegliche sonstige Zusammenarbeit mit deutschen Dienststellen oder Personen außerhalb des französischen Staatsapparates.
Drei Arten der Kollaboration lassen sich unterscheiden.
Französische Historiker sprechen außerdem von einer Alltags-Kollaboration (collaboration au quotidien), um bestimmte alltagsrelevante Verhaltensweisen zu beschreiben, die nicht als aktive politische Stellungnahme zu werten sind: z. B. gute persönliche Beziehungen zu Deutschen; das Verschicken von Denunziationsbriefen an die Polizei oder an die Gestapo (drei bis fünf Millionen anonyme Briefe in Frankreich, also im Schnitt 2.700 Briefe täglich); Unternehmer, die sich aus eigener Initiative um Aufträge von deutschen Stellen bewarben; Liebesbeziehungen französischer Frauen zu deutschen Soldaten oder auch zu Gestapo-Angehörigen («collaboration horizontale»).
Als staatliche Kollaboration werden alle Unterstützungsmaßnahmen des Vichy-Regimes und der französischen Administration für das Dritte Reich bezeichnet. Die Unterstützung erstreckte sich vor allem auf den wirtschaftlichen Bereich (Besatzungskosten), auf polizeiliche Maßnahmen (Bekämpfung der Résistance, Sondertribunale, Auslieferung nach Frankreich geflüchteter deutscher Nazigegner usw.), auf die Beteiligung an der nationalsozialistischen Rassenpolitik (Erfassung, Verhaftung und Deportation von Juden) und militärische Zusammenarbeit (Darlan-Abetz-Abkommen vom 28. Mai 1941, Légion des volontaires français contre le bolchévisme (LVF), französische Waffen-SS, Milice française).
Der Begriff Kollaborateur («collaborationniste») wurde zum ersten Mal von Marcel Déat in der Tageszeitung L’Œuvre vom 4. November 1940 gebraucht. Die politische Kollaboration wurde geprägt von politischen Parteien und der Kollaborations-Presse, die sich zwar selbst als «national» bezeichneten, aber dennoch öffentlich für eine Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland eintraten und sich auch aktiv an dieser beteiligten. Die deutsche Besatzungsmacht, die sie nicht sonderlich ernst nahm, bediente sich ihrer vor allem, um Druck auf das Vichy-Regime auszuüben. Da die «collabos» eine in der Bevölkerung weitgehend isolierte Minderheit waren (geschätzte 2 % der Gesamtbevölkerung) und auch um die Vormachtstellung der deutschen Besatzungsmacht nicht zu gefährden, hütete sich Adolf Hitler, ihnen zu große Verantwortung zu übertragen. Die öffentlichkeitswirksame Agitation der politischen Kollaboration der verschiedensten Ausrichtungen, die sich vor allem im besetzten Paris abspielte, ließ die gleichzeitige weniger spektakuläre, jedoch entschlossene und wirkungsvollere Kollaboration des Vichy-Regimes in den Hintergrund treten.
Schon ab Juli 1940 versuchten einzelne Politiker, der Besatzungsmacht gefällige politische Parteien zu gründen. Ihnen schlossen sich ab Herbst 1940 faschistische Politiker an, die von der rückwärtsgewandten und katholisch-moralisierenden Politik des Vichy-Regimes enttäuscht waren. Charakteristisch waren von Anfang an die Unfähigkeit der kollaborierenden Politiker, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, sowie zahlreiche Intrigen zwischen den Führern der verschiedenen Gruppierungen (z. B. rivalisierte Jacques Doriot mit Marcel Déat, aber auch Marcel Déat mit Eugène Deloncle usw.). Marcel Déat versuchte erstmals 1941 aus dem RNP und MSR und dann nochmals 1943 im Rahmen eines kurzlebigen Front révolutionnaire national eine Einheitspartei der Kollaboration zu formen.
Obwohl sich alle Parteien und Gruppierungen offiziell auf Marschall Pétain beriefen, waren die in Paris versammelten kollaborationistischen Milieus vor allem bestrebt, das Vichy-Regime politisch zu verändern: in direktem Kontakt mit der deutschen Besatzungsmacht strebten sie für Frankreich die Einrichtung eines «revolutionären» faschistischen oder nationalsozialistischen Regimes an, das in einem von Deutschland dominierten Europa vorbehaltlos mit dem Dritten Reich zusammenarbeiten würde. Die Pariser Kollaborateure übernahmen nach und nach Positionen innerhalb des von ihnen zuvor so stark kritisierten Vichy-Regimes und versuchten dessen Politik nach ihren Vorstellungen zu radikalisieren. Marcel Déat wurde im März 1944 zum Minister für Arbeit und nationale Solidarität ernannt.
Von Oktober 1944 bis April 1945 war Sigmaringen Sitz der geflohenen Vichy-Regierung. Im deutschen Exil fanden sich Marschall Pétain und seine letzten Getreuen aus Vichy wieder. Einige ehemalige Angehörige der im September 1944 aufgelösten Légion des volontaires français (LVF) kämpften noch auf deutscher Seite in der Schlacht um Berlin 1945.
(mehr als 1000 Mitglieder):
(weniger als 1000 Mitglieder)
Die Regierung Daladier hatte per Gesetz vom 26. Juli 1936 (dem sog. Décret Daladier) ein «Commissariat Général à l'Information» (Generalkommissariat für Information) eingerichtet, das dem Regierungschef unmittelbar unterstellt war. Unter der Leitung des Diplomaten und Schriftstellers Jean Giraudoux sollte es die Medien und die öffentliche Meinung gegen das nationalsozialistische Deutschland mobilisieren. Während der Drôle de guerre ("Sitzkrieg") wurde das Generalkommissariat per Dekret vom 1. April 1940 in ein «Secrétariat d'État de l'Information et de la Propagande» (Staatssekretariat für Information und Propaganda) des Informationsministeriums umgewandelt. Diese Institution wurde nach der französischen Niederlage benutzt, um der französischen Bevölkerung den Kollaborationsgedanken nahezubringen. Dazu wurden als wesentliche Medien benutzt: die Kinowochenschau (die unter dem Monopol der deutsch-französischen Produktionsgesellschaft France-Actualité produziert wurde), der staatliche Rundfunk (Radiodiffusion nationale oder RN) und die gedruckte Presse.
Die wichtigen Presseorgane hatten die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: entweder sie stellten ihr Erscheinen ein (wie Le Canard enchaîné, l'Intransigeant, le Populaire oder L’Humanité), zogen sich nach dem 10. Juni 1940 in die zone libre zurück, besonders nach Lyon, wo es zahlreiche Druckereien gab (z. B. Le Journal, Paris-Soir oder Le Figaro) oder sie veröffentlichten weiter in der besetzten Zone (zone Nord) (wie Je suis partout oder Le Matin).
Die Pariser Presse der Kollaborationszeit wurde von dem Pressemagnaten Jean Luchaire beherrscht. Die meisten Blätter der Kollaborationspresse in der besetzten Nordzone wurden vom deutschen Botschafter Otto Abetz subventioniert oder heimlich unterstützt, der dazu eigens die Verlagsgesellschaft Éditions Le Pont gegründet hatte. Die deutsche Botschaft in Paris konzentrierte sich auf Propaganda zugunsten des Dritten Reiches und die Propagandastaffel (unter ihnen der Sonderführer Gerhard Heller) übernahm in über das ganze besetzte Frankreich verteilten Niederlassungen die Aufgabe der literarischen und Presse-Zensur. Außer den engagierten Kollaborateuren handelten die meisten Journalisten eher opportunistisch, durch materielle Anreize geködert (während die übrigen Gehälter in Frankreich eingefroren wurden, wurden ihre Bezüge auf Veranlassung der Propagandastaffel verdoppelt) oder aus Feigheit denn aus ideologischen Gründen. Die Presse der zone libre unterstützte überwiegend die Kollaborations-Politik und ihre antisemitische Haltung des Marschalls Pétain und übte sich in Selbstzensur unter der Kontrolle des «Secrétariat d'État de l'Information et de la Propagande» im Ministère de l'Information (zunächst unter der Leitung des früheren kommunistischen Journalisten Paul Marion, dann von Philippe Henriot).
Angesichts der offensichtlichen Propaganda wandten sich die französischen Zeitungsleser allmählich von der Kollaborations-Presse ab, die bis zuletzt phantastische Auflagenzahlen verkündete, während sie tatsächlich 30 bis 50 % Auflagenverluste hinnehmen musste. Sie bevorzugten themenzentrierte Zeitschriften (Sport, Frauenzeitschriften) und die Untergrundpresse der Résistance (wie Franc-Tireur, Combat oder Libération).
Etliche in Frankreich renommierte Journalisten und Publizisten wurden Kollaborateure, die sich in der Öffentlichkeit für die deutsche Besatzungsmacht oder die "Révolution nationale" des Vichy-Regimes einsetzten:
Die LVF ging auf eine Initiative der Führer kollaborationistischer Parteien im Juli 1941 zurück. Marschall Pétain ermutigte die Aufstellung der Truppe zunächst (zum Beispiel im November 1941), bevor er zunehmend in vorsichtige Distanz ging. Die LVF wurde als gemeinnützig anerkannt und Pétain erklärte, dass ihre Kämpfer »une part de notre honneur militaire« (ein Teil unserer militärischen Ehre) seien. Die Freiwilligen legten einen Führereid auf Adolf Hitler ab.
Die Bildung einer französischen Waffen-SS wurde im Juli 1943 genehmigt.
Nach der britisch-amerikanischen Invasion in Französisch-Nordafrika im November 1942 sahen sich die Admiräle Derrien und Esteva weiter unter dem Befehl des Marschalls Pétain, der einen Einsatz der französischen Truppen in der Region auf Seiten der Deutschen verlangte. Da die französischen Kolonialtruppen in Nordafrika als unzuverlässig eingeschätzt wurden, sollte eine Freiwilligentruppe unter dem Namen La Phalange Africaine in Französisch-Nordafrika auf Seiten der deutschen Truppen gegen die alliierten Truppen kämpfen. Es gelang jedoch nur, etwa 200 Freiwillige zu rekrutieren, die kurzfristig in den Kämpfen des Tunesienfeldzugs eingesetzt wurden.
Als private Kollaboration werden vor allem berufliche Aktivitäten bezeichnet, etwa von Unternehmern (wegen der gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen) oder Künstlern und «Stars» (auf Grund der Öffentlichkeitswirksamkeit ihres Verhaltens).
Manchen Männern und Frauen des französischen Showgeschäfts (z. B. Sacha Guitry oder Arletty) wurde in der Nachkriegszeit Kollaboration vorgeworfen, da sie zwischen 1940 und 1944 mehr oder weniger enge Beziehungen zu Vertretern der Besatzungsmacht unterhalten hatten. Sie hatten – wie es Guitry formulierte – «weiter ihren Beruf ausgeübt», während andere Künstler (wie etwa Ray Ventura) emigriert waren. Kaum eine Persönlichkeit aus dem Bereich der bildenden oder darstellenden Künste engagierte sich dauerhaft zu Gunsten der deutschen Besatzungsmacht, viele hatten jedoch gesellschaftliche Kontakte im Rahmen des turbulenten Pariser Gesellschaftslebens (le Tout-Paris). Der Schauspielerin Arletty wird dazu der Ausspruch zugeschrieben: «Mon cœur est à la France, mais mon c… est international (Mein Herz gehört Frankreich, mein A... ist international.)».
Nach nationalsozialistischen Vorstellungen sollte Paris eine Hauptstadt des leichten Lebens (dreizehn für Deutsche reservierte Bordelle) und des Massen-Freizeitvergnügens sein. Entgegen den Wünschen der Besatzungsmacht versuchten künstlerische Kreise der französischen Hauptstadt ein gewisses künstlerisches Niveau aufrechtzuerhalten (Theater, Oper).
Da die deutsche Politik bestrebt war, Frankreich seine kulturelle Bedeutung für Europa zu nehmen und es zu einer überwiegend agrarischen Region umzuwandeln, förderte sie die unter dem Vichy-Regime entstehende regionalistische Literatur.
Im Zuge der Libération kam es zu ungelenkten Aktionen gegen ehemalige Kollaborateure («épurations sauvages»), bei denen sich Rachedurst und Volksfestcharakter mischten und bei denen unter anderem zahlreiche Frauen kahlgeschoren und bloßgestellt wurden, denen man Beziehungen zu Deutschen vorwarf. Bald nach dem Abzug der deutschen Truppen begannen Angehörige der Résistance und etwas später die Provisorische Regierung der Französischen Republik aber gegen solche spontanen Gewaltaktionen vorzugehen und «legale Säuberungsaktionen» («épuration judiciaire») einzuleiten. Per Erlass vom 26. Juni 1944 wurden Sondergerichte mit der juristischen Aufarbeitung der Kollaborationszeit beauftragt. Auf lokaler Ebene wurden dazu auf Départementsebene spezielle Cours de justice eingerichtet sowie Chambres civiques mit dem Recht, für strafrechtlich nicht zu belangende Vergehen gegen die nationale Ehre (indignité nationale) den Verlust der Bürgerrechte zu verhängen (dégradation nationale mit Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts, Ausstoßung aus der Armee, Einschränkungen der Berufsausübung sowie dem Verbot, Waffen zu tragen). Außerdem wurde ein Haute Cour de justice als Staatsgerichtshof eingerichtet, vor dem hohe staatliche Würdenträger wie z. B. Philippe Pétain der Kollaboration angeklagt wurden. Die Säuberungen erfassten alle Tätigkeitsbereiche und alle Schichten der Gesellschaft. Auch noch nach der Einrichtung von Sondergerichten gingen Résistance-Kämpfer und weitere Bevölkerungskreise immer wieder auf eigene Faust gegen ehemalige Kollaborateure vor. Dies betraf vor allem Angehörige der Milice française oder Mitglieder von Kollaborationsparteien.
Die Säuberungen wurden in Frankreich bald Gegenstand polemischer Auseinandersetzungen. Da sich zunächst nur die aktiven Teilnehmer der Säuberungen bzw. ihre Opfer äußerten und keine seriösen Ermittlungen über jeden Fall von Polizei oder Gendarmerie durchgeführt wurden, war kaum eine objektive Einschätzung möglich. Rechtsextreme Zeitungen und ehemalige Angehörige des Vichy-Regimes bzw. ihre Anwälte verbreiteten eine «légende noire» (schwarze Legende) mit Berichten über Massaker und mit manipulierten Zahlenangaben. Untersuchungen des Comité d’Histoire de la Deuxième Guerre mondiale (CHGM) und seiner Nachfolgeorganisation, des Institut d'histoire du temps présent (IHTP), ermittelten für 84 Départements (von insgesamt 90 im Jahr 1945) die Zahl von 8.775 standrechtlichen Tötungen bei außergerichtlichen Säuberungsaktionen, zu denen noch die vollstreckten Todesurteile der Haute cour de justice und der Cours de justice (791 oder 767 je nach Quelle) und von militärischen Standgerichten hinzukommen (769 in den 77 vom IHTP untersuchten Départements). Zwar wurden im Frankreich der Nachkriegszeit mehr als 1.500 wegen Kollaboration hingerichtet, aber bei zwei Dritteln der deshalb zum Tode Verurteilten wurde die Strafe letztlich umgewandelt. Das entspricht dem höchsten Anteil von Strafumwandlungen in Westeuropa. Weniger als ein Franzose von Tausend wurde interniert oder verhaftet, was deutlich unter den Vergleichswerten für Dänemark, Norwegen, Belgien und die Niederlande bleibt. In absoluten Zahlen wurden weniger Franzosen wegen Kollaboration interniert als in den Niederlanden. Um eine innere Spaltung des Landes zu verhindern, erließen die Regierungen der Vierten Französischen Republik insgesamt drei Amnestien für die «Gesäuberten»: 1947, 1951 und nochmals 1953.
Mitte der 1990er Jahre, 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, beschäftigten sich viele französische Studien mit der Zeit und den Begleitumständen der Libération. Für unkontrollierte Säuberungsaktionen (épuration sauvage oder épuration extrajudiciaire) wurden zwischen 10.000 und 11.000 Todesopfer ermittelt sowie ca. 20.000 kahl geschorene Frauen. Die legalen Säuberungen erfassten mehr als 300.000 Fälle, die in 127.000 Fällen zu Verurteilungen mit 97.000 Verurteilten führten. Das Strafmaß reichte von 5 Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (dégradation nationale) bis zur Todesstrafe.
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