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Als erste deutsche Truppe erreichte um 4:00 Uhr am Morgen des 30. Juni 1941 ein Spähtrupp des I. Bataillons des Gebirgsjäger-Regiments 99 der 1. Gebirgs-Division kampflos die Zitadelle der Stadt. Den Hauptstoß führte das III. Bataillon des Gebirgsjäger-Regiments 98 derselben Division unter Befehl von Major Josef Salminger. Die Rote Armee hatte die Stadt widerstandslos geräumt.
Am 25. und 26. Juni 1941 hatte es einen Aufstand ukrainischer Nationalisten gegeben, die in den Deutschen die Befreier ihres Landes von der Sowjetherrschaft sahen. Viele von ihnen waren daraufhin von Angehörigen des NKWD in den Lemberger Gefängnissen inhaftiert worden.
Lemberger Pogrom
Schon um die Mittagszeit des 30. Juni 1941 war die Stadt endgültig in der Hand der Wehrmacht, und die Leichenschau in den drei Hauptgefängnissen wurde beendet. Obwohl sich deutsche Ärzte aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung dagegen ausgesprochen hatten, die NKWD-Opfer von Angehörigen identifizieren zu lassen, war das Auslegen der Leichen ein Teil einer antisemitischen Inszenierung. Viele Juden wurden gezwungen, auf den Knien zu den Leichen zu kriechen und sie zu waschen. Divisionskommandeur Generalmajor Hubert Lanz inspizierte die Stadt, und auf Flugblättern und Plakaten wurde pauschal „jüdischen Bolschewiken“ die Verantwortung für die Morde zugeschoben. Unmittelbar danach kam es zu massiven Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung. Dabei tat sich vor allem die ukrainische Miliz OUN hervor. Sie verhaftete Juden und trieb sie zu den Gefängnissen. Auch auf Befehl von deutschen Offizieren wurde zum Pogrom aufgehetzt. Zivilisten und Bewaffnete prügelten auf die Juden ein.
Weder Lanz noch der mit umfangreichen Vollmachten ausgestattete Stadtkommandant Oberst Karl Wintergerst unternahmen etwas gegen das Pogrom. Major Salminger führte sogar die Gebirgsjäger seines Bataillons an die Mordstätten, um sie dort auf die „völlige Vernichtung und Ausrottung der jüdisch-kommunistischen Verbrecherbande“ einzuschwören.
Wie viele Angehörige der Wehrmacht an dem Pogrom teilnahmen, ist nicht mehr genau festzustellen. Bei der Aktion wurde am 30. Juni und 1. Juli eine unbekannte Zahl von Juden misshandelt und mehrere hundert ermordet. Anschließend traf die Einsatzgruppe C in Lemberg ein. Sie mordete planmäßiger, erschoss in der Stadt selber 100 und am Stadtrand weitere 3000 Juden.
Lemberger Professorenmord
Verlauf
Gleichzeitig wurde mit Hilfe ukrainischer Studenten eine Liste von Lemberger Professoren polnischer Abstammung angefertigt. In der Nacht vom 3. zum 4. Juli wurden 22 Professoren zum Teil samt ihren Familienangehörigen und allen Personen, die sich in ihren Wohnungen aufhielten, von der Gestapo unter dem Befehlshaber der Einsatzgruppe zur besonderen Verfügung (z. b. V.), dem damaligen SS-OberführerKarl Eberhard Schöngarth, verhaftet und 21 Professoren, darunter Antoni Cieszyński, Antoni Łomnicki, Włodzimierz Stożek und Tadeusz Boy-Żeleński, zusammen mit 13 Angehörigen noch in der gleichen Nacht erschossen. Am 12. Juli wurden zwei weitere Professoren ermordet.
Man vermutete, dass bei dem Verbrechen auch Raubmotive eine Rolle spielten, weil die Wohnungen selbst geplündert und die Kunst- und Wertgegenstände geraubt wurden. Die Beteiligung von Ukrainern beziehungsweise des Bataillons Nachtigall an diesen Verhaftungen ist umstritten.
Aufarbeitung
Unmittelbare Verantwortung für diesen Mord wird vom polnischen Institut für Nationales Gedenken dem BrigadeführerKarl Eberhard Schöngarth, der auch schon für die Verhaftung der Professoren der Jagiellonen-Universität im Rahmen der Sonderaktion Krakau im November 1939 verantwortlich gewesen war, sowie dem SS-Hauptsturmführer Hans Krüger zugeschrieben; dessen unmittelbare Teilnahme bei der Erschießung ist jedoch nicht nachweisbar. Der „Nazijäger“ Simon Wiesenthal fahndete nach dem Gestapochef und stellvertretenden Dienststellenleiter in Drohobytsch, dem SS-Untersturmführer Walter Kutschmann, den er als Leiter des Exekutionskommandos aus sieben namentlich bekannten Tatbeteiligten bezeichnete. Dieser lebte als Pedro Ricardo Olmo in Buenos Aires und starb dort 1986, bevor über eine Auslieferung entschieden wurde.
Eine Mitwirkung des späteren Bundesministers für VertriebeneTheodor Oberländer vom ukrainischen Bataillon Nachtigall, dessen Soldaten an den Verhaftungen beteiligt waren, gilt heute als unwahrscheinlich. Ein Urteil der DDR von 1960, das ihn als Mörder von Lemberg verurteilte, wurde vom Landgericht Berlin 1993 wegen formaler Mängel aufgehoben. Ende 1997 schloss die zuständige Kölner Staatsanwaltschaft, die von 1996 bis 1998 weitere Nachforschungen anstellte, die Ermittlungen zu Oberländers Rolle im Bataillon Nachtigall ab. Nach Oberländers Tod am 4. Mai 1998 stellte sie auch die restlichen Ermittlungen ein, die sie gegen ihn wegen des Vorwurfs weiterer Massaker im Kaukasus geführt hatte.
Im weiteren Verlauf der deutschen Besatzung wurden 110.000 bis 120.000 Lemberger Juden von den Besatzern ermordet.
Kazimierz Bartel, ehemaliger Premierminister Polens, ehemaliger Rektor von PL, Vorsitzender der Abteilung der Geometrie, PL
Einziger Überlebender der Verhafteten
Franciszek Groër, Prof. für Kinderheilkunde und Leiter der Kinderklinik, verheiratet mit Cecily Cunnings, einer Engländerin.
Literatur
Dieter Schenk: Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien. Verlag J. H. W. Dietz, Bonn 2007, ISBN 3-8012-5033-4.
Zygmunt Albert: Kaźń profesorów lwowskich – lipiec 1941. Breslau 1989, ISBN 83-229-0351-0.
Karolina Lanckorońska: Mut ist angeboren. Erinnerungen an den Krieg 1939–1945. Böhlau, Wien 2003, ISBN 3-205-77086-2, Original: Wspomnienia wojenne, Krakau 2002.
↑Dieter Schenk: Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien. Bonn 2007, ISBN 978-3-8012-5033-1, S. 126 und S. 134.
↑Zum Beispiel widerspricht dem Zygmunt Albert (s. Literatur).
↑Dieter Pohl: Hans Krüger – der ‚König von Stanislau‘. In: Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul: Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. Darmstadt 2004, ISBN 3-534-16654-X, S. 135.
↑Dieter Schenk: Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien. Bonn 2007, ISBN 978-3-8012-5033-1, S. 129–131.